Es sind die sensibelsten Sensoren der Welt für magnetische Felder. Man kann damit Hirn- und Herzaktivitäten von Föten vermessen. Von außen, ohne den Körper der Mutter auch nur berühren zu müssen. Man kann damit dunkle Materie im All suchen. Oder Erzvorkommen unter der Erde. Und man kann damit sogar prähistorische Siedlungen finden, obwohl nichts mehr da ist außer ein paar toten magnetithaltigen Bakterien.
Die
Supracon AG mit sechs Mitarbeitern in Jena ist einer der weltweit führenden kommerziellen Anbieter von LTS-SQUID-Sensoren und -Systemen. SQUIDs heißen die supraleitenden Sensoren, die erst bei minus 269 Grad Celsius funktionieren. ,,Das ist natürlich ein hoher Aufwand, deshalb werden die Sensoren nur dort eingesetzt, wo es sich am Ende lohnt, wie etwa in der Medizintechnik oder in der Geophysik", erläutert Geschäftsführer Matthias Meyer, ein bedächtiger Mensch.
Schon zu DDR-Zeiten war Jena einer der wichtigsten Supraleitungsstandorte weltweit. Supracon ist eingebunden in diese Jenaer Supraleitungs-Community. ,,Viele Probleme kann man auf dem kurzen Dienstweg klären. Konkurrenzdenken gibt es kaum, weil jeder sein eigenes Feld beackert."
Die Gründer-Fühler ausgefahren
Noch wahrend seines Studiums an der Uni Jena - BWL mit Schwerpunkt Interkulturelles Management - lernt Meyer seine Gründungspartner vom
Institut für Physikalische Hochtechnologie kennen, bei einer Sommerakademie.
,,Die hatten eine Idee und suchten jemanden, der was von BWL versteht."
Mehrere Gründerseminare machten sie mit, die Idee gewann Konturen. An einem Nachmittag setzten sie sich im Institut zusammen und brachten das Kind in trockene Tücher. Am 1. Januar 2001 gründeten sie ihr Unternehmen.
Seit Juni 2001 ist Supracon eine kleine Aktiengesellschaft.
,,Eine AG verspricht mehr Renommee als eine GmbH, und wir wollten die Mitarbeiter beteiligen." In dieser Zeit spielte das EXIST-Netzwerk Get Up eine große Rolle: "Immer wenn wir ein Problem hatten, halfen die uns weiter." Beim rechtlichen Gewirr etwa, als es galt, mit dem Institut einen wasserdichten Vertrag zu machen. Noch immer gibt es gute Drähte zum Institut: Man trifft sich hin und wieder zum Erfahrungsaustausch, die Wissenschaftler geben heiße Tipps für die Weiterentwicklung.
Und
Supracon nutzt die Infrastruktur, mietet Reinraumkapazitäten, Labore, Messgeräte.
,,Ich war ja damals Pionier", erzählt Meyer. ,,Der allererste von EXIST-Seed geförderte Gründer an der Universität Jena. Da gab es gegenüber der Verwaltung Erklärungsbedarf, die wussten darüber anfangs kaum Bescheid. Mit der EXIST-Seed-Förderung konnte ich wahrend der Frühphase meinen persönlichen Lebensunterhalt bestreiten. Die war unheimlich wichtig. Und die Gründung selber bekam Starthilfe beim Marken- und Patentschutz."
Flexible Fühler
Krisen gab es natürlich auch. Als wichtige Kunden pleite gingen und man die ursprüngliche Strategie nicht weiter verfolgen konnte. Auch nicht so wachsen konnte wie geplant. ,,Aber ich bin stolz darauf, dass wir so flexibel waren, neue Gebiete zu erschließen." Etwa die Erkundung von Erzvorkommen mittels SQUIDs: Gemessen werden kann direkt von der Erdoberfläche aus oder auch mit Hilfe von Sensoren im Hubschrauber oder Flugzeug. Wenn etwas Metallisches unter der Erde liegt, verbiegt sich das Erdmagnetfeld ein klein wenig. Mit der SQUID-Technik lassen sich diese kleinsten Änderungen feststellen. ,,Die Geophysiker sind total begeistert, weil sie jetzt mehr Informationen zur Verfügung haben", schwärmt Meyer.
Auch Diamantvorkommen lassen sich so leichter orten, weil diese häufig in Verbindung mit dem magnetischen Magma vorkommen.
Sogar prähistorische Siedlungen kann man erkennen, obwohl nichts mehr da ist, was Archäologen ausgraben konnten. Aber die Bakterien, die die Holzwälle zersetzten, haben auch nach Hunderten von Jahren magnetische Bestandteile. ,,So etwas ist gut als Referenz, Geld lässt sich damit natürlich keines verdienen." Interessant wird es erst bei physikalischen Großprojekten, wo Hunderte oder gar Tausende der Sensoren verwendet werden. Bei einem Stückpreis von rund 1.500 Euro pro Standard-Sensor ein einträgliches Geschäft. Beim CRESST-II-Experiment etwa, bei der Suche nach dunkler Materie, waren die Sensoren aus Jena dabei. Und die Europäische Raumfahrtorganisation
ESA erkundete ebenfalls damit: die Mondoberfläche.
Das zweite Standbein von
Supracon ist die Mikrofabrikation, die Herstellung von Strukturen und Schichten im Nano- und Mikrometerbereich. Für Sensoren musste Supracon ohnehin eine aufwändige Herstellungstechnologie im Reinraum entwickeln. "Dieses Verfahren kann man auch anderswo verwenden, in Jena bietet sich da die Optik an." Schwankungen der Märkte kann man so ausgleichen.
Feinfühlig für den Markt
Matthias Meyer hat es nie bereut, sofort nach dem Studium ein Unternehmen gegründet zu haben. ,,Spannend ist, dass man die ganze Palette eines Unternehmens sieht und nicht nur einen kleinen Ausschnitt wie in einem Großbetrieb. Ich kann es nur weiterempfehlen!" Für Hobbies bleibt freilich wenig Zeit: Fußball und Basketball mussten nicht erst zurücktreten, nachdem er sich das Bein gebrochen hatte. Mittlerweise ist Supracon zwar etabliert, hat seine Nische gefunden. Gerade erst war Meyer auf einer Messe in Tokio, hat dort einen Vertreter für Japan gefunden, der sich um das dortige Geschäft kümmert.
,,Aber wir wollen vom Komponentenhersteller zum Systemhersteller werden. Und das ist ein gewaltiger Schritt." Vor allem in der Medizintechnik erwartet er einen großen Markt. Das Unternehmen entwickelt gerade Systeme für embryonale Magnetokardiogramme. Bislang misst man die Herzaktivitäten eines Fötus im Mutterleib mit dem Ultraschall. Das neue, strahlungsfreie Verfahren zur Messung von Herzmagnetfeldern soll helfen, Erkrankungen des Kindes bereits im Mutterleib zu erkennen und zu therapieren. Wenn das klappt und die Technologie von
Supracon den Einzug in die Kliniken findet, kann es sehr schnell gehen mit dem Wachstum. ,,Die Sektkorken bleiben aber noch in der Flasche." Das muss alles wohl überlegt sein.